Reisen, Spiritualität Kirchgang in Pula

Ich komme aus einem Land in dem - vereinfacht gesagt - ein Drittel der Menschen ohne Glaubensbekenntnis ist, ein weiteres Drittel ist römisch katholisch und ein Drittel protestantisch. Natürlich gibt es auch Muslime in Deutschland. Deren Zahl hat sich in den letzten Jahren durch die Zuwanderung fast verdoppelt. Allerdings machen sie an der Gesamtbevölkerung nur etwa 5 Prozent aus. (Immerhin, das sind fast so viele Menschen, wie alle Bürger von Kroatien zusammen.) Andere Religionsgemeinschaften gibt es ebenfalls, aber ihr Anteil ist gering.
Hier, in Kroatien, bin ich in einem Land, von dem die Statistik sagt, dass weniger als 10 Prozent ohne Glaubensbekenntnis sind und der Rest fast ausschließlich römisch katholisch ist. Wie praktizieren diese Menschen ihren Katholizismus? Das hat mich interessiert. Also ging ich auch hier am Sonntag in die Kirche, wie meist daheim. Ich bin jetzt seit zwei Wochen hier. Beim ersten Mal habe ich das Erntedankfest miterlebt. Beim zweiten Mal wohl einen ganz normalen Sonntag.


  Ein Land, von dem die Statistik sagt, dass weniger als 10 Prozent ohne Glaubensbekenntnis sind und der Rest fast ausschließlich römisch katholisch ist. Wie praktizieren diese Menschen ihren Katholizismus?



Ich dachte mir schon, dass es voll werden könnte, und bin gut 10 Minuten vor Beginn eingetroffen. Da war die Kirche jedes Mal bereits zur Hälfte gefüllt. Vorwiegend in den hinteren Reihen, wie es ja auch bei uns der Fall ist. Von meinem Platz nahe am Eingang konnte ich zwanglos das Kommen und Gehen der Gläubigen verfolgen.

Überraschend war, dass die schon Anwesenden nicht schweigend auf den Gottesdienst warten, sondern miteinander den Rosenkranz beten. Ein gemischter Chor von zirka 25 Personen unterstützt kräftig das Gebet. Laufend kommen neue Leute, segnen sich mit Weihwasser, deuten mehr oder weniger stark einen Kniefall an und suchen sich ihre Plätze. Wie überall. Aber dann nehmen sie meistens am Rosenkranzgebet teil.

Es kommen nicht nur ältere oder gar alte Leute, so wie vorwiegend bei uns, sondern es kommt der ganze Querschnitt der Bevölkerung: Familien mit Kindern, junge Leute, alte Menschen. Das Verhalten der Kinder und Jugendlichen lässt erkennen, dass es für sie nicht ungewöhnlich ist. Sie benehmen sich vollkommen ungezwungen. Als ein oder zwei Minuten nach Glockenschlag der Gottesdienst begann, war nichts mehr frei. Einzelne Leute, die keinen Platz mehr gefunden hatten, oder sich nicht nach vorne durchdrängen wollten, blieben am Eingang stehen. Die Kirche war voll, wie bei uns vielleicht an Weihnachten. Insgesamt vielleich 300 bis 400 Personen. Nur der Platz direkt neben mir blieb frei, als wäre es so verabredet gewesen.

Ich habe schon viele Gottesdienste in fremden Sprachen erlebt, darunter auch in Sprachen, die ich nicht verstehe. Die Liturgie ist überall dieselbe, und so fällt es mir nicht schwer, dem Verlauf zu folgen. An vielen Stellen kommt mir automatisch der deutsche Text in den Sinn, wie ein Untertitel in einem Film. Wenn zum Beispiel bei den Fürbitten die einzelnen Bitten durch „Christus höre uns, Christus erhöre uns“ unterbrochen werden, wie hier, dann bemerke ich den Rhytmus. Auch wenn es auf kroatisch ist. Bei den Liedern hatte ich allerdings keine Chance. Zwar wird der Liedtext von weniger bekannten Lieder für die Gemeinde mit einem kleinen Computer an die Stirnwand der Kirche neben das Kreuz projiziert, was ich sehr praktisch finde. Aber das natürlich in der Landessprache. Nur beim ersten Lied habe ich die Melodie wiedererkannt, aber der Text wollte mir nicht einfallen.

Sonst sind die Lieder von unseren ziemlich verschieden. Die Melodien klingen für mich gefällig, haben manchmal einen italienischen Einschlag. Sie erinnern mich teilweise an Lieder des Franziskaners Roland Faustin aus Südtirol, die ich gerne mag. Gesungen wird aus voller Kehle. Nicht nur vom Chor, der alles unterstützt, auch von der Gemeinde selbst. Allerdings will mir scheinen, dass es hinten, wo ich saß, etwas leiser war. Aber direkt hinter mir hat eine Frau sehr schön die zweite Stimme mitgesungen.

Beim Text des Evangeliums hatte ich keine Chance, ihn zu verstehen. Auch vom Text der Predigt habe ich so gut wie nichts verstanden. Nur die Worte „Jesus“und „Pilatus“ schienen mir vorzukommen. So dachte ich mir, dass es das Verhör des Pilatus in der Version des Matthäus-Evangeliums oder des Johannes-Evangeliums sein muss. Nach dem Gottesdienst habe ich dann auf der Internetseite vom Erzbistum München nachgelesen, dass Christkönigsonntag war und der Text aus dem Johannes Evangelium stammte. Weil ich vom Text nichts verstand, konnte ich um so besser auf die Betonung des Priesters achten. Er hat deutlich und sehr gut moduliert gesprochen. Er war sich offensichtlich der Tatsache bewusst, dass unter seinen Zuhörern auch Kinder sind. Ich finde es wichtig, dass ein Priester gut spricht. Sonst hätte die Kirche gleich beim lateinischen Text bleiben können.

Der Empfang der Kommunion verläuft hier anders. Am Erntedankfest hatte ich das schon gelernt. Die Kinder kommen zuerst dran. Ein Junge und seine Mutter neben mir waren aufgestanden und hatten sich in die Schlange von bereits wartenden Kinder eingereiht. Für mich war das ein Zeichen, dass nun unserer Reihe dran ist. Ich bin also den beiden gefolgt und befand mich dann mitten zwischen den Kindern. Jetzt, beim zweiten Mal, war ich vorsichtiger. Ich blieb sitzen um zu sehen, was passiert. Aber der Ablauf ist schwer zu durchschauen. Nach den Kindern erheben sich mal hier, mal da einzelne Leute, Familien oder kleine Gruppen. Einen irgendwie geordneten Ablauf konnte ich nicht erkennen. Zweifellos hat dies den Vorteil, das nicht so deutlich auffällt, wer eigentlich nicht zur Kommunion geht. Später bin ich irgendwann selbst gegangen, aber ich schätze, dass nur etwa die Hälfte der Besucher wirklich aktiv an der Kommunion teilgenommen hat.

Nach Gebet und Segen gerät ein Teil der Gemeinde rasch in Aufbruchstimmung. Noch während die Gemeinde mit dem Chor das letzte Lied singt, gehen die ersten. Das scheint üblich zu sein, niemand nimmt daran Anstoß. Dem Verlauf des ganzen Gottesdienstes haftet etwas natürliches an. Er ist weniger pietätvoll zurückhaltend, als meistens bei uns. Mehr wie ein Stück froh gelebter Sonntag, der die Folge der Werktage unterbricht, ohne die Einheit der Woche in Frage zu stellen. Das ist natürlich nur das vage Gefühl von einem, der so gut wie nichts verstanden hat.

Kirche innen
Aussenansicht

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