Meinung Die Hirten und die Wahrheit

Vor kurzem hat der amerikanische Präsident Donald Trump den Juristen Brett Kavanaugh als obersten Richter nominiert. Am selben Tag begann eine Schlammschlacht in den Vereinigten Staaten gegen diese Nominierung. Eine Frau beschuldigte ihn, er habe sie einmal als 17 jähriger Jugendlicher auf einer Party sexuell bedrängt. Es gab eine Anhörung der beiden im Senat, die im Fernsehen übertragen wurde. Das FBI ermittelte. Die Schlammschlacht war ein trauriges Zeichen für die tiefe Spaltung der amerikanischen Gesellschaft, aber zugleich ein Beweis für den hohen moralischen Anspruch, den diese Gesellschaft an ihre Repräsentanten stellt. Und man sah, wie schonungslos Missstände aufgedeckt werden. Letztlich war es ein Sieg der Demokratie.

In der römisch katholischen Kirche sieht es mit dem moralischen Anspruch und der Aufdeckung von Missständen schlechter aus. Hier wird Peinliches nicht gerne öffentlich diskutiert, wenn es sich vermeiden lässt. Priester, die sich an Kindern sexuell vergangen haben, wurden wohl deshalb von den Verantwortlichen nicht angezeigt oder öffentlich beschuldigt. Sondern sie wurden stillschweigend an andere Orte der Erde geschickt. Dahin, wo sie niemand kannte. Dort konnten sie dann neu beginnen – will heißen, sie konnten weiter machen. Globaler Tourismus für pädophile Kirchenmänner.


  Leider ist jetzt auch Papst Franziskus selbst unglaubwürdig geworden. Öffentlich hat er zwar geleugnet, dass er solche Straftäter bisher gedeckt hat. Aber ist das auch die Wahrheit?



Die Verantwortlichen dieses System befanden und befinden sich noch in den höchsten Rängen, bis hinauf ins Kardinalskollegium.

Leider ist auch Papst Franziskus selbst unglaubwürdig geworden. Öffentlich hat er geleugnet, dass er solche Straftäter bisher gedeckt hat. Aber ist das auch die Wahrheit? Der Sender ZDF info hat in einer Dokumentation mit dem Titel „Das Schweigen der Hirten“ am 20. Oktober 2018 wichtige Dokumente und Zeugenaussagen dazu enthüllt.

In der Dokomentation wurden auch pädophile Handlungen in Buenos Aires beleuchtet, etwa der Fall des dort bekannten Priesers Mario Grassi. Und dieser Fall ist nun erneut das Problem. Auf dem Petersplatz in Rom gelang es einer Reporterin, dem Papst dazu überraschend eine Frage stellen: „Eure Heiligkeit - im Fall Grassi - haben Sie versucht, die argentinische Justiz zu beeinflussen?“ Seine Antwort vor laufender Kamera: „Nein!“. Und die Nachfrage: „Warum haben sie denn diese Studie in Auftrag gegeben?“ (Mit einer „Studie“ sollte Grassi entlastet werden.)

Die Antwort des Papstes tat weh: „Das habe ich nie“. Wie könnte das sein? Die Studie wurde von seiner Bischofskonferenz in Auftrag gegeben, als er noch Erzbischof von Buenos Aires und deren Vorsitzender war. Er hat sie damals persönlich an die Richter geschickt, das bezeugen diese. Grassi wurde trotzdem 2009 zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Sehr verblüffend sind Bilder der Gesten und der Mimik des Papstes bei den offensichtlich unbequemen Fragen. Aus dem lächelnden Papst Franziskus wird ein verärgerter Erzbischof Jorge Mario Bergoglio von einst, der sich angegriffen fühlt. Aber schnell findet er dann wieder sein bekanntes Lächeln zurück. Die entscheidenden Bilder beginnen etwa in der 43. Minute.

Die römisch katholischen Kirche muss ihre Fürsorgepflicht für Minderjährige ernst nehmen, sonst sind auch in Zukunft Kinder und Jugendliche in ihren Einrichtungen gefährdet. Junge, gutgläubige Menschen in einem vermeintlich sicheren Raum, der aber im Zweifel die pädophilen Täter und nicht deren Opfer schützt. Der Papst muss das ändern, egal wie er früher gehandelt haben mag.


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